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Interview mit Albrecht von der Hagen

Herr von der Hagen ist Geschäftsführer des Verbandes "Die Familienunternehmer"/ "Die jungen Unternehmer". Er ist extrem gut im politischen Berlin vernetzt und zeichnet sich durch eine extreme Kenntnis der Akteure, der Prozesse und Funktionsmechanismen in der Berliner Politik aus. In meiner Zeit als Bundesvorsitzender der jungen Unternehmer durfte ich 3 Jahre intensiv mit Ihm zusammenarbeiten und habe Ihn sehr zu schätzen gelernt.

Warum gibt es so wenige Unternehmer im Deutschen Bundestag?

Albrecht von der Hagen: Keine Zeit dürfte der Hauptgrund sein. Ein Unternehmen zu führen, erfordert vollen Einsatz. Wenn man ein Unternehmen aufbauen muss, wird die Lage noch viel dramatischer und auch die Nachfolge in einem Familienunternehmen zu meistern, ist kein Spaziergang. Hinzu kommt, dass man sich für den Bundestag nicht bewerben kann wie für einen Geschäftsführer-Posten, sondern man muss die Ochsentour durch die Parteiorganisation machen, von den lokalen Gremien über die regionalen, die Landes- und schließlich die Bundesgremien. Das wird sich kaum ein Unternehmer zumuten können.

Also keine Chance, mehr Unternehmer in den Bundestag zu bringen?

Albrecht von der Hagen: Das ginge meiner Ansicht nach nur, wenn die Unternehmerfamilie ein Mitglied dafür auswählt und ihn oder sie bittet, sich der politischen Aufgabe anzunehmen. Ein anderer Weg, politischen Einfluss zu nehmen, sind natürlich die Unternehmerverbände. Das kostet zwar auch Zeit, aber dafür schafft man sozusagen den Seiteneinstieg in die Politik. Die Vertreter der Verbände haben Kontakt zu den Top-Politikern und können so direkt für ihre Interessen eintreten.

Man braucht beide Säulen. Über die politische Schiene können sich Unternehmer in der Gesamtgesellschaft engagieren und ihre Ideen bewerben. Auf diese Weise kommt mehr Wirtschaft ins politische Bewusstsein der Menschen.

Die großen Volksparteien erodieren, die Politikverdrossenheit nimmt zu. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Albrecht von der Hagen: Zum einen ist da der Trend zur Individualisierung. Die Bereitschaft der Bürger, sich in den gesellschaftlichen Institutionen zu betätigen, nimmt dramatisch ab. Das spüren nicht nur die Parteien, sondern auch Verbände und Vereine. Damit einher geht eine Abstumpfung gegenüber demokratischen Pflichten. Viele Menschen denken „meine Stimme ändert sowieso nichts“. Die Parteien sind in den vergangenen Jahrzehnten gefühlt immer mehr in die Mitte gerückt. Die Unterschiede zwischen ihnen sind nicht mehr spürbar und die Bürger fragen sich, wen sie denn wählen sollen, wenn sowieso alle die gleichen Positionen vertreten.

Albrecht von der Hagen: Verantwortung wird total verwischt. Wenn es konkret wird, zucken alle mit den Schultern. Bundes-, Landes- und EU-Recht beeinflussen die Entscheidungen bis in die Kommunen, die verschiedenen Umverteilungsschlüssel machen die Verantwortlichkeiten noch undurchschaubarer.

Der einzelne Politiker und seine Entscheidungen spielen zwar noch eine Rolle, aber alle Prozesse laufen unglaublich langsam ab, denn alles ist von Koalitionen abhängig. Viele Kompromisse, die in langwierigen Verhandlungen erzielt werden, fühlen sich unangenehm an, weil sie viel zu lange dauern. Andererseits kann man auf die Kompromisse nicht verzichten, weil sonst viele Positionen verloren gehen würden.

Könnte sich die Politik hier nicht etwas von den Unternehmen abschauen, die sich schnellen Veränderungen ständig anpassen und vorausschauend denken und handeln müssen, gerade im Zusammenhang mit der Digitalisierung?

Albrecht von der Hagen: Ich glaube nicht, denn die Unternehmen müssen sich am Markt behaupten, ihre Finanzierung sichern, also Geld verdienen. Darum muss sich die Politik erst kümmern, wenn der Karren schon tief im Dreck steckt. Das kann Jahrzehnte dauern. Der Staat kann sich in großem Stil Geld beschaffen. Es besteht kein Druck durch den Kunden. Die Politiker, die heute über die Verschuldung entscheiden, sind nicht für die Rückzahlung der von ihnen gemachten Schulden verantwortlich. Man darf gespannt sein, ob sich die Länder künftig an die Schwarze Null halten oder ob diese Vorgabe bei Bedarf schnell wieder aufgeweicht wird.

Im Moment sprudeln die Steuern. Der Staat nimmt viel Geld ein. Wird es denn richtig eingesetzt?

Albrecht von der Hagen: Nein, denn das  Geld wird nicht investiert,  um unser Wachstum zu sichern beziehungsweise unsere Wachstumschancen zu vergrößern. Alles kommt unter die Räder der Sozialpolitik. Dabei sind Investitionen in alles, was Infrastruktur und Bildung betrifft, dringend nötig. Bei der Bahn oder den Autobahnen leben wir schon jetzt ganz gewaltig von der Substanz. Neue Anforderungen wie die G5-Netze oder die großen Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland kriegen wir gar nicht gestemmt. Alles was durch die Agenda 2010 und die letzte große Steuerreform noch unter Gerhard Schröder erreicht wurde, ist längst abgeräumt.

Wir haben keine  Vorbereitungen für eine neue Steuerreform getroffen und auch ansonsten nicht viel unternommen, um unsere Zukunft zu sichern. Dabei müsste das viel früher geschehen als erst dann, wenn wir wieder vor einer Massenarbeitslosigkeit stehen.

Viele Menschen haben den Eindruck, der Staat tue nichts für sie. Ist dieser Eindruck richtig?

Albrecht von der Hagen: Ich glaube, dass es eine starke Trennung zwischen Politikern und Beamten einerseits und dem Rest der Gesellschaft andererseits gibt. Politiker verstehen sich nicht mehr als Vertreter des Volkes, sondern als Vertreter des Staates. Sie denken nicht im Sinne des Steuerzahlers. Ihre Haltung lässt sich ausdrücken mit dem Satz: „Der Staat sind wir.“ Diese paternalistische Sichtweise führt dazu, dass sich der Wähler in eine Anspruchshaltung begibt und die Politik, statt eine Zukunftsstrategie für das große Ganze zu entwickeln, bedient jede kleine Wählergruppe mit immer noch mehr Sozialleistungen. In der Entwicklungszusammenarbeit gilt das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“, zuhause, in Deutschland, machen wir genau das Gegenteil. Kein Wunder, dass sich eine Anspruchsmentalität entwickelt.

Bedenklich finde ich, dass es keine klare Trennung mehr gibt zwischen Exekutive und Legislative. Die Durchlässigkeit zwischen Politik und Beamtentum wächst ständig. Das fördert die Entwicklung einer eigenen Kaste, die getrennt vom Rest der Welt handelt. Deshalb ist es dringend notwendig, dass andere Bürgerschichten in die Politik gehen. Vielleicht würde es auch helfen, wenn Politiker ihre Mandate nur für eine begrenzte Zeit, zum Beispiel zwei oder drei Legislaturperioden, innehaben dürften. Der Abschottung könnte damit Einhalt geboten werden. Auch eine Art Selbstverwaltung der Bürger in einem rotierenden Verfahren wäre auf manchen Ebenen denkbar.

Wie sieht es bei der Digitalisierung aus. Auch hier reagiert der Staat zu langsam. Warum gibt es noch keine Strategie?

Albrecht von der Hagen: Das betrachte ich ebenfalls als eine Folge der  Abschottung der Politik von der Welt „da draußen“. Neue Technologien, mit denen die Unternehmen schon längst zu tun haben, gelangen erst spät ins Bewusstsein der Politiker. Es besteht kein Handlungsdruck, weil es keinen Wettbewerb gibt. Unternehmen müssen an der Spitze der technologischen Entwicklung stehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, der Staat muss das nicht.

Mit Dorothee Bär gibt es seit März eine Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt. Wird jetzt alles besser?

Albrecht von der Hagen: Ganz ehrlich? Ich halte das für eine Werbemaßnahme. Dorothee Bär hat keinen personellen Unterboden. Wenn, dann brauchen wir ein Digitalministerium mit echten Kompetenzen und echtem Budget. Aber möglicherweise ist auch das zu kurz gesprungen, denn die Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche und damit alle Ministerien. Ein Digitalministerium wird nicht ausreichen, um alles zu stemmen, was mit der Digitalisierung zusammenhängt. Ich würde einen Digital-Staatssekretär in jedem Ministerium befürworten, der etwas von der Sache versteht. Allerdings muss die Mischung der Kompetenzen stimmen. Ein parlamentarischer Staatssekretär übt normalerweise Einfluss aus, um Mehrheiten zu organisieren. Das ist vergleichbar mit der Beschaffung von Liquidität in einem Unternehmen. Es ist zweifellos wichtig, Mehrheiten zu organisieren, aber bitte mit Expertenwissen.

Die meisten Menschen mögen keine Umbrüche. Die Digitalisierung ist ein enormer Umbruch. Bei den Bürgern herrscht eine sehr große Skepsis. Die Politik hat wenig Ahnung und Angst davor, etwas falsch zu machen, treibt die Digitalisierung deshalb nur halbherzig voran und kann infolgedessen die Bürger nicht von den Chancen der Technologie überzeugen.

Die Staatssekretäre in den Ministerien hätten die Chance, ein besseres Klima zu schaffen. Vielleicht würde sich sogar ein positiver Ideenwettbewerb zwischen den Ministerien entwickeln, wenn es darum geht, wer für seine Projekte die beste Finanzausstattung bekommt. In die Entwicklung einer umfassenden Digitalstrategie könnten die Ideen aus allen Ministerien einfließen. Das würde auch bedeuten, dass nicht mehr Inselprojekte in einzelnen Ländern oder Kommunen entstehen, die am Ende an der Kompatibilität scheitern. Alle müssen gemeinsam losmarschieren.

 

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Ich bin Premium Keynote-Speaker, Buchautor, Unternehmer und Berater. Mein Motto:  Veränderung geht nur über Schmerz oder Leidenschaft: Besser ist Leidenschaft- meistens ist es Schmerz. Mein Ziel: mehr Leidenschaft und Motivation bekommen. Das Thema Digitalisierung begleitet mit Leidenschaft seit über 20 Jahren meiner Leben. Du suchst nach einem Speaker, der dein Publikum begeistert? Du möchtest dein Business noch erfolgreicher weiterbringen? Ich freue mich auf Austausch! 

Hubertus Porschen