Interview mit Wolfgang Bosbach
Dr. Hubertus Porschen: Hallo Herr Bosbach, schön, dass wir hier sind. Schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Vielleicht sagen Sie für unsere Zuschauer und Zuhörer einfach mal ganz kurz, wer Sie sind.
Wolfgang Bosbach: Wolfgang Bosbach, 67 Jahre alt, von Beruf Betriebswirt und Jurist. Ich arbeite seit über 30 Jahren als selbständiger Rechtsanwalt hier in Bergisch Gladbach. Auch war ich 23 Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages, gehörte der CDU/CSU-Fraktion an.
Dr. Hubertus Porschen: Haben Sie ein Vorbild?
Wolfgang Bosbach: Ja, das ist mein Vorgänger hier im Wahlkreis, im Rheinisch-Bergischen-Kreis, Franz-Heinrich Krey, er war 18 Jahre lang Abgeordneter. Ich konnte zwölf Jahre für ihn arbeiten, während ich das Abitur auf dem zweiten Rechtsweg nachgeholt und anschließend Rechtswissenschaften studiert habe. Das war für mich eine glückliche Fügung, ich war nicht auf Bafög angewiesen und konnte damals viel über Politik und vor allen viel über seine Bürgernähe lernen.
Dr. Hubertus Porschen: Ich habe von vielen Politikern und Unternehmern, gehört, dass sie ein bestimmtes Ritual haben. Dass sie irgendetwas bestimmtes machen, wenn sie morgens aufstehen und abends zu Bett gehen. Gibt es sowas bei Ihnen auch?
Wolfgang Bosbach: Ja und nein, aber das Ritual pflegen Millionen andere auch. Ich brauche Ruhe beim Frühstück, ich kann nicht sofort morgens in den Leistungsmodus übergehen. Also sagen, hier bin ich, wo steht das Klavier. Ich habe gerne eine halbe Stunde Ruhe, ich frühstücke gerne ausführlich. Ich lese auch gründlich die Zeitung, also nicht mit dem Tablet, wie andere, da bin ich also wirklich noch wie gestern unterwegs. Ich muss in Ruhe Zeitung lesen, aber dann ist auch gut. Ich mache jetzt nicht Yoga oder ähnliches, um in einem bestimmten körperlichen Zustand zu kommen. Da genügt bei mir ein gutes Frühstück.
Dr. Hubertus Porschen: Was ist der größte Fehler, den Sie gemacht haben? Gibt es etwas das Sie anders machen würden?
Wolfgang Bosbach: Persönlich sofort. Privat würde ich auch früher heiraten, dann wäre ich auch früher Papa geworden. Dann hätten die Kinder einen jüngeren, einen noch fitteren Papa. Und beruflich, es hört sich jetzt vielleicht etwas komisch an, aber die schwierigste Zeit war nicht die Doppelbelastung Anwalt und Abgeordneter, sondern die schwerste Zeit war auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachholen, anschließend noch Jura studieren und nebenbei noch arbeiten. Vor allem, als es auf die Examen zugegangen ist. Das war eine unglaubliche Doppelbelastung. Mit anderen Worten: Heute würde ich nicht mehr den Umweg über eine Berufsausbildung gehen, obwohl es mir nicht geschadet hat und mir auch fürs Leben viel gebracht hat. Aber ich glaube, in einer Linie durch Abitur, studieren, da fällt einem das Lernen echt leichter, als mit 27 oder 30 Jahren.
Dr. Hubertus Porschen: Wie lernt man heute? Sie haben ja nicht den klassischen Weg eingeschlagen, aber trotzdem auch das traditionelle Bildungssystem so durchlaufen, wie ich das ähnlich gemacht habe. Abitur gemacht, studiert, vielleicht in einer anderen Reihenfolge wie sie. Würden Sie das einem jungen Menschen heute auch noch empfehlen? Ich weiß, man kann nicht pauschal sein, aber die Frage ist eigentlich: Wie lernt man heute?
Wolfgang Bosbach: Ich habe keine Ahnung, wie man heute lernt. Ich weiß nur wie ich lerne, auch heute noch. Tatsächlich lerne ich auch heute noch jeden Tag dazu. Ich muss es gelesen haben und es ist für mich einen Unterschied, ob ich ein Blatt Papier in der Hand halte, oder ob ich etwas auf dem Tablet lese. Wenn ich allerdings etwas gelesen habe, dann behalte ich es mir auch. Dann muss es nicht unbedingt auswendig lernen, denn ich habe so eine art fotografisches Gedächtnis. Was Zahlen, Fakten angeht. Wenn ich die präsentiert bekomme, dann behalte ich mir diese Zahlen auch in der Regel, jedenfalls diese, die für mich wichtig sind.
Dr. Hubertus Porschen: Gibt es einen Lesetipp von Ihnen? Lieblingsbücher von welchen man eine bestimmte Botschaft mitnimmt oder ein Buch zur Persönlichkeitsentwicklung? Gibt es ein Buch, dass Sie uns empfehlen möchten, was man auf jeden Fall gelesen haben sollte?
Wolfgang Bosbach: Also Querbeet, ich bin was Unterhaltungsliteratur angeht ein großer Fan von Krimis, von den Klassikern wie von Mario Puzo “Der Pate”, Frederick Forsyth “Der Schakal”, also das sind ja Krimis, die über Generationen gelesen werden, auch erfolgreich verfilmt worden sind. Bei den Sachbüchern z.B. von Gabor Steingart, da habe ich alle Sachbücher gelesen. Der hat wirklich eine gelungene Kombination aus flottem Schreiben und interessanten Themen. Oftmals sind die Themen formal betrachtet trocken, aber wenn sie dann literarisch gut aufbereitet werden, dann ist es auch ein Lesevergnügen. Und wenn ich ein Buch mal empfehlen darf, also Literatur, dann “Stoner” von John Williams. Wenn mir mal einer erzählt hätte, dass ich Spaß haben werde an einem Buch, welches das traurige Leben eines Literaturprofessors , dann hätte ich direkt mit: Nein, danke fürs Gespräch beantwortet. Dan doch lieber einen guten Krimi. Aber der ist so hinreißend geschrieben, dass ist wirklich ein ganz ganz tolles Buch, wenn auch mit traurigem Ende.
Dr. Hubertus Porschen: Was ist Ihre spezielle Fähigkeit, die Sie auszeichnet?
Wolfgang Bosbach: Da müsste man eigentlich andere fragen. Aber ich glaube, dass ich Menschen interessieren, ja sogar begeistern kann für Politik und das ich auch gut erklären kann. Ich habe schon viele in 47 Jahren Politik erlebt, die großes politisches Wissen hatten, aber es einfach nicht vermitteln konnten. D.h. du hörst Ihnen zu und denkst: Toll, ich weiß jetzt nur nicht, ob er dafür oder dagegen ist. Ich versuche auch immer so zu sprechen, dass die Menschen das auch verstehen. Und glauben Sie mir, nicht jeder, der kompliziert formuliert ist ein Intellektueller. Nicht jeder, der sich klar ausdrückt ist ein Tumbortor. Wer ganz kompliziert redet, hat den Sachverhalt womöglich nicht verstanden, um den es geht.
Dr. Hubertus Porschen: Das ist eine super Überleitung, denn dass ist genau das Thema, was ich als nächstes ansprechen wollte. Da ich ja auch selbst sehr viele Vorträge halte, weiß ich, dass man Menschen Wissen nicht vermitteln kann, indem man das runterrattert, sondern man muss es mit Geschichten verbinden. Vor ein paar Wochen habe ich Sie bei einer kurzen Eröffnungsrede erlebt, da hatten sie ein fünfminütiges Grußwort gehalten und Sie hatten in diesen fünf Minuten rund sechs bis sieben Geschichten erzählt. Viele Sachen sind mir in Erinnerung geblieben, die Leute haben gelacht. Das war wie richtig gutes Kino. Da hat man gemerkt, zack, jetzt hat er sie, da hören die Leute zu, nehmen auch alles auf, was er sagt. Sie hatten eine kleine Vorrede gehalten, für eine Botschaft, die vielleicht 2-3 Sekunden ist, aber die bleibt kleben. Das ist eine Fähigkeit, die habe ich bei Ihnen schon öfters erlebt, die ich bei ganz wenigen Politikern erlebt habe.
Wolfgang Bosbach: Das ist eine Lehre aus der Zeit als Messdiener, aus der Kirche. Damals hatte ich das schon gemerkt, vor 60 Jahren. Die Predigt kann fünf Minuten oder 20 Minuten dauern, der Zuschauer nimmt trotzdem nur zwei bis drei Botschaften mit in den Tag. Viele haben eine Botschaft, verkleiden diese aber mit so viel Verzierung, dass am Ende gar nicht mehr klar ist, was denn eigentlich die richtige Botschaft war. Die Menschen müssen beim Zuhören auch Freude haben, zudem ist es wichtig, dass der Zuhörer etwas mitnimmt, bei dem er sagen kann, dass er das verstanden hat und weiß, weshalb der Vortragende die gewisse Position vertritt.
Dr. Hubertus Porschen: Vielleicht zum Abschluss noch eine Frage. Was würden Sie einem jungen, motivierten Menschen raten? Ich habe mit vielen jungen Menschen zu tun, die sich auch in der Politik engagieren, die sich das auch anschauen werden. Was würden Sie diesen für einen Ratschlag mit auf den Weg geben? Im Sinne von: Macht es vielleicht Sinn, erstmal andere Dinge auszuprobieren? Was ist da Ihr Ratschlag für den Lebensweg?
Wolfgang Bosbach: Also was das Leben angeht kann ich keine Ratschläge geben. Jeder hat seinen individuellen Lebensstil, seine individuellen Neigungen, Interessen, dass muss jeder selber wissen. Für mich war das Wichtigste im Leben immer meine Familie und meine Kinder. Also für mich wäre es schon wirklich ein richtiger Schicksalsschlag gewesen, wenn ich keine Kinder hätte bekommen können bzw. wenn wir keine Kinder bekommen hätten. Im Beruf ruhig mal ausprobieren, ruhig mal wechseln, auch mal das Risiko einzugehen zu scheitern. Das wird in Amerika anders gesehen, als bei uns. In Amerika würde man sagen: “Der hat’s wenigstens versucht.” Bei uns würde man sagen: “Oh, der ist gescheitert!” Da hat man dann so ein Stigma. Aber ich liebe Menschen, die etwas riskieren und das sagt ja schon das Wort Risiko, gibt es keine Garantie, dass etwas erfolgreich läuft oder funktioniert. Ein weiterer Tipp: Mach dir dein Hobby zum Beruf, dann hast du ein Leben lang Freizeit. Oder betrachte deinen Beruf als Hobby. Man muss es gerne machen. Wenn man sich zwingt, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, einem bestimmten Beruf nachzugehen, dass gibt nichts. Das geht nicht lange gut. Aber wenn man gerne zur Arbeit geht und sich vielleicht auch sagt: “Super, ich freue mich, dass ich morgen wieder in die Firma kann, oder die Arbeit aufnehmen kann”, dann wird es gut.
Dr. Hubertus Porschen: Gibt es noch irgendein Lieblingszitat von Ihnen?
Wolfgang Bosbach: Ja, mein Lebensmotto passt auch zu dem, dass man es wenigstens mal probieren sollte. Erich Kästner’s Zitat: “Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es!”. Man erwischt sich zu oft dabei, dass man selber denkt: “Oh, da müsste man aber helfen.” Das ist ein ganz gefährliches Wort. Es heißt ja: “Ich muss es nicht selber machen, es können auch andere machen.” Aber wenn jeder so denken würde, passiert nichts. Und viele denken: “Was kann ich schon als Einzelner ausrichten?” Antwort: Jede Menge, denn auch die größte Menge besteht immer aus einzelnen Personen.
Dr. Hubertus Porschen: Super! Vielen Dank, Herr Bosbach.
Wolfgang Bosbach: Ich bedanke mich sehr, Herr Dr. Porschen.