Interview Fabian Kienbaum zum Stand der Digitalisierung in Deutschland
Fabian Kienbaum durfte ich im Rahmen eines Vortrages für das FBN (Family Business Network) kennen lernen. Als Unternehmensnachfolge und jetziger CEO ist er einer der zentralen Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Nicht nur im eigenen Familienunternehmen. Er mischt sich auch in den politischen Diskurs ein und leistet so einen wertvollen Beitrag zu Digitalisierung in Deutschland.
Sie haben im Interview mit der FAZ gesagt, in den Unternehmen sei noch nicht allzu viel von der Digitalisierung angekommen. Woran liegt es?
Worüber die Unternehmen reden und was sie tun, muss man differenziert betrachten. Es finden sehr viele Aktivitäten auf prozessualer Ebene statt, aber die digitale Transformation ist eine soziale Transformation. Es geht darum, wie konzentriert ich mich mit dem Thema Digitalisierung befasse, mit wie viel Fokus ich auf digitale Geschäftsmodelle schaue, wie viel Kapazitäten ich dafür freimache und wie viel ich bereit bin zu investieren. Im Moment kursiert eine Ansammlung von Buzzwords, aber es fehlt an der Umsetzung. Manche gründen Innovation Labs oder kaufen Start-ups, aber die Frage ist doch, inwieweit es gelingt, neue Methoden, Arbeits- und Denkweisen in die Kernorganisation zu bringen. Auch Partnerschaften, Kooperation und industrieübergreifende Zusammenarbeit müssen neu gedacht werden.
Was muss sich ändern, damit Digitalisierung in deutschen Unternehmen Wirklichkeit wird? Brauchen wir neue Unternehmen?
Ich glaube nicht, dass wir neue Unternehmen brauchen, aber wir müssen uns darüber klar werden, dass die typischen Pläne der Vergangenheit nicht mehr greifen. Die Unternehmen bewegen sich in einer neuen Welt in unsicheren Gefilden und müssen eher iterativ vorgehen, gemeinsam mit den Kunden planen. Es geht um Menschen, Kultur und ein verändertes Mindset. Unser Berichtswesen und unsere Fehlerkultur taugen nicht für die neue Welt. Wir müssen darüber sprechen, wie die Musterbrecher von außen funktionieren. Häufig greifen sie nur kleine Segmente der Wertschöpfung an und ebenso oft sind sie fachfremd. Wie öffnet man sich dafür, ohne sich untreu zu werden? Wie öffnet man sich dem Austausch über den Tellerrand hinaus und lernt von anderen? Wie taucht man in diese neue Welt ein und was ist der beste Weg dafür – ein Labor abseits der normalen Governance? Wir müssen mehr Know-how in unsere Unternehmen holen, die Technologie zumindest grundsätzlich verstehen und sie auch ausprobieren (dürfen).
Wir sind in Deutschland in einer wunderbaren Position. Wir haben das Thema selbst losgetreten und sollten es jetzt als Herausforderung betrachten, die wir meistern wollen.
Sie betrachten Kienbaum als New-Work-Beratungshaus – was verstehen Sie darunter?
Die Digitalisierung verändert die Art und Weise wie wir arbeiten und den Anspruch an die Arbeit. New Work umfasst alles, was damit einhergeht: Wie verändert sich Führung? Was erwarten Arbeitnehmer heute von einem Unternehmen? Dazu gehört die Sinn-Frage ebenso wie der Wunsch nach Wertschätzung, Individualität, weniger Hierarchie, neuen Strukturen und intelligenter Flexibilität. Das bedeutet Veränderung und jede Veränderung bedeutet Schmerz. Das erleben wir auch bei Kienbaum. Wir möchten die Unternehmen auf dem Weg in eine neue Unternehmenskultur, in die Arbeitswelt der Zukunft als Partner begleiten, nicht mit Theorien, sondern aus uns selbst heraus, aus den Erfahrungen, die wir täglich sammeln.
Sie bezeichnen sich selbst als Chief Empowerment Officer. Was steckt dahinter?
Es geht um ein verändertes Führungsverständnis. Wir möchten eine Kultur schaffen, in der Potenzialentfaltung groß geschrieben wird. Ich sehe mich als Mentor, Coach und Partner, der andere ermutigt und sie wachsen lässt. Mein Ziel ist es, mich in meiner Rolle überflüssig zu machen.
Wie sehen Sie die Rolle der Bildung im Hinblick auf die Digitalisierung? Tablets in die Kindergärten?
Richtig ist, dass junge Menschen schon in der Schule auf eine digitale Zukunft vorbereitet werden müssen. Allerdings geht es dabei nicht nur um Informatik und Computer. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation wird relevanter werden ebenso gehe ich von einer Revitalisierung der Bedeutsamkeit der Geisteswissenschaften aus. Soft Skills wie Empathie, Kommunikation und Kreativität werden mehr Aufmerksamkeit brauchen.
Darüber hinaus müssen wir uns gemeinsam auf Bundesebene und auf europäischer Ebene überlegen, was wir künftig lehren wollen und wie. Der Wettbewerb findet heute auf internationaler Ebene statt. Deutschland ist dafür zu klein. Wir müssen Schwerpunkte ebenso verändern wie die Steuerungslogik und die Inhalte. Im Moment ziehen wir uns auf unseren Besitzstand zurück. Wir müssen jedoch gestalten.
Wo sehen Sie Deutschland in zehn Jahren?
Es wird fabelhaft werden, wenn es uns gelingt, für Deutschland eine Vision zu entwickeln. Wir können Bildungsweltmeister werden und mit Nachhaltigkeit und Ökologie können wir den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken. Wir haben die Energiewende in Gang gesetzt, das hat uns international eine hohe Akzeptanz verschafft. Wir verfügen über eine hohe Integrationsfähigkeit. Damit können wir Stärke und Humanität demonstrieren und gesellschaftlich verankern. Wenn uns das gelingt, würde mich das sehr stolz machen.
Fabian Kienbaum ist CEO der Personalberatung Kienbaum Consultants. Er hat das Unternehmen vor kurzem von seinem Vater Jochen Kienbaum übernommen und führt das 1945 gegründete Unternehmen in dritter Generation.