Digital verhandeln
Verhandeln – das ist etwas, was in Hinterzimmern, am runden Tisch, im Hinterhof, am besten noch bei Zigarre und Whiskey oder auch in einem Konferenzraum mit Juristen von statten geht. Das ist die weitläufige Meinung zum Thema verhandeln. Doch weit gefehlt- heute werden Verhandlungen oft im Vorhinein entschieden. Die Möglichkeiten der Digitalisierung verändern den traditionellen Verhandlungsprozess massiv. So wie sich auch Vertrieb und Marketing grundlegend geändert haben, gilt es nun, den Verhandlungsprozess zu überdenken. Manager und Unternehmer müssen lernen Mechanismen der Verhandlungsführung und des Online-Marketings intelligent zu verknüpfen um digital zu verhandeln.
Definition Verhandlung
Eine Verhandlung zeichnet sich durch zwei wesentliche Eigenschaften aus:
- Es gibt eine gegenseitige Abhängigkeit und
- Es gibt unterschiedliche Interessen
Ist einer der beiden Charakteristika nicht gegeben, befinde ich mich nicht im Verhandlungsprozess, sondern vielleicht noch im Verkaufsprozess, für den komplett andere Regeln gelten.
Zudem sind bei den beiden Verhandlungspartnern jeweils zwei Dimensionen unterschiedlich ausgeprägt: Die Machtposition und der zeitliche Horizont. Beide Faktoren bestimmen die Wahl der Strategie und damit auch, mit wie viel Druck ich in eine Verhandlung gehe.
Warum Verhandlungen digitaler werden
Doch führen wir uns zunächst einmal vor Augen, warum der Verhandlungsprozess digitaler wird.
- Globalisierung: Unsere Welt wird immer globaler. Unsere Verhandlungspartner sind zunehmend internationaler. Auch wenn wir selber immer mobiler werden, so nehmen die Entfernungen und damit verbundene Aufwände nur unterproportional stark ab.
- Technologien: Neue Technologien bieten neue Möglichkeiten, die bisher nicht gegeben waren oder extrem unpraktikabel gewesen sind. Nicht nur die technologischen Möglichkeiten nehmen zu, sondern auch die Menge der Informationen und Daten, die ich verwerten kann.
- Neue Bedürfnisse: Aus den neuen Technologien entstehen neue Bedürfnisse der Menschen. Digitalisierung ist nichts anderes als veränderte Kundenbedürfnisse. Menschen möchten die Ihnen zur Verfügung stehenden Technologien nutzen. Nicht nur Multichannel sondern auch und vor Allem Omnichannel.
- Mehr Verhandlungen: Die beiden oben genannten Faktoren sowie der Umstand, dass die Wertschöpfungsketten dynamischer werden, führen dazu, dass wir nicht nur einen Lieferanten, eine Kundengruppe haben, sondern wesentlich differenzierter und dynamischere Partnerschaften/Kooperationen eingehen müssen. Das führt in der Summe zu mehr Verhandlungen.
Verhandlungstaktiken vom runden Tisch in Netz übertragen
Es gibt eine Vielzahl von Verhandlungstaktiken, die man aus dem Offline-Bereich in den Online-Bereich übertragen kann.
- Digitale Verhandlungsstrategie: Sicherlich einer der wichtigsten Punkte in den Überlegungen eines digitalen Verhandlers muss die Ausarbeitung einer digitalen Strategie sein. Welche Ziele möchte ich erreichen? Mit welchen Taktiken? Innerhalb welchen Zeitraums? Welche Ressourcen kann ich nutzen? Wie ist die Ansprache?
- Digitale Vorbereitung: Die Digitalisierung ermöglicht uns heute uns wesentlich besser und einfacher auf unsere Verhandlungspartner vorzubereiten. Weiss ich erst einmal den Namen, so kann ich durch ein standardisiertes Analyseformular meinen Gegenüber analysieren lassen. Nahezu jeder ist heutzutage online zu finden (siehe auch: Der Weg zur Online-Persönlichkeit).
Gleichzeitig sollte ich mir dessen bewusst sein, dass mein Ggü. sich dieselben Gedanken macht. Ich habe also die einmalige Möglichkeit, Ihn nur das finden zu lassen, was er finden möchte. Möchte ich eine bestimmte Machtposition demonstrieren, so lässt sich das mit einem gut strukturierten Onlineprofil problemlos erreichen.
- Anker setzen: Sicherlich einer der ältesten Verhandlungstaktiken: Der Anker. Lässt sich auch wunderbar im digitalen Verhandeln einsetzen. Möchte ich ein Produkt für y € verkaufen, so steige ich nicht mit dem Preis y ein, sondern mit einem wesentlich höheren Preis (y+x). Im Kopf des Ggü. verankere ich einen Wert. Wenn ich Ihm nachher einen günstigeren Preis anbiete ist er glücklich und nimmt den Preis nicht mehr als zu teuer wahr. Im Optimalfall habe ich noch einen günstigeren Preis, der entscheidende Nachteile aufweist und der Verhandlungspartner einigt sich mit mir „in der Mitte“.
- Wir schreiben eine Pressemitteilung zur Qualitätsoffensive 2020, die wir auf unserer Seite veröffentlichen
- Wir lassen die Pressemitteilung über externe Portale wie OpenPR verbreiten.
- Wir bewerben die Pressemitteilung über soziale Netzwerke, die unserer Verhandlungspartner frequentiert (Xing, LinkedIn, Facebook, Google)
- Wir versenden einen Newsletter an alle unsere Partner
- Wir versenden eine E-Mail direkt an unseren Partner in der wir auf die Pressemitteilung verweisen
- Umarmung bzw. Lob: Die sicherlich effizienteste Form der Motivation ist ein ehrlich gemeintes, authentisches Lob (Siehe auch Dale Carnegies: How to make friends). Auch das ist Online bzw. in der digitalen Verhandlung wesentlich einfacher geworden. Gerade auf sozialen Netzwerken ist die soziale Bestätigung bzw. die Interaktion ein äußerst effektives Mittel um die Aufmerksamkeit des Verhandlungspartners im positiven Sinne auf mich zu lenken. Vereinfacht gesagt: Wenn ich Beiträge von anderen lobe bzw. konstruktiv kommentiere, setze ich mich mit der Person auseinander, signalisiere Respekt und Achtung und schenke der Person meine Aufmerksamkeit. Das ist nicht nur wertschätzend sondern sorgt im Sinne des Reziprozitätsgrundsatzes auch dafür, dass der Gegenüber sich mir verpflichtet fühlt. Loben Sie vor einer Verhandlung Ihren Partner ausreichend. Schenken Sie ihm ihre Aufmerksamkeit.
- Driver Seat/Agenda setting: Wer den Prozess führt, führt die Verhandlung und meistens gewinnt die Person auch die Verhandlung. Agenda Setting ist insofern das Ergebnis einer digitalen Verhandlungsstrategie. Wir behalten die Führung, bestimmen die Themen, agieren und lassen unseren Verhandlungsgegner reagieren. Wir nutzen alle Möglichkeiten des digitalen Marketings aus um die Verhandlungsführung inne zu haben und den Prozess zu leiten.
Sicherlich gibt es eine ganze Reihe weiterer intelligenter Taktiken, die im digitalen Verhandeln genutzt werden können. Wir werden diese an anderer Stelle in einem digitalen Whitepaper erläutern.
Fazit
In der digitalen Verhandlungsführung gelten ähnliche Spielregeln wie in der Offline-Welt. Viel hängt davon ab, wer es schafft seine Macht zu demonstrieren und zu signalisieren, wer den driver seat inne hat. Die digitale Verhandlung wird die Verhandlung in der Offline-Welt auch in mittlerer Zukunft nicht komplett ersetzen, aber die Relevanzen verschieben sich merklich. Wie präsentiere ich mich online? Worauf achte ich in einer Skype Verhandlung? Was sind die Do´s und Don´ts in einer Telefonkonferenz in der verhandelt wird? Diese und andere Fragen gilt es zukünftig noch stärker zu untersuchen.
Klar ist, dass sich das Feld für Verhandlungen bzw. die Verhandlungsdisziplin immer stärker daten- und technologiegetrieben ist. Informationen sind transparenter verfügbar und wer den digitalen Verhandlungsprozess führt, hat auch größere Chancen auf die reale Verhandlungsführung.
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