Digitalisierung in der Gesundheitsbranche
Gedanken zur Keynote „Digitalisierung in der Gesundheitsbranche“ auf dem E-Health Kongress 2018 in der IHK Frankfurt. Halte ich einen Vortrag in einer bestimmten Branche zum Thema Digitalisierung, so ist der Tenor im Anschluss häufig: „Herr Porschen, toller Vortrag, sehr informativ was da mit der Digitalisierung auf uns zurollt, aber…UNSERE BRANCHE IST ANDERS. Wissen Sie, wir machen das schon ein paar Jahre und das hat noch immer so geklappt.“ Das ist in ausnahmslos jeder Branche so. In der Gesundheitsbranche wird die Digitalisierung alles umkrempeln. In der Disruption Map von Deloitte (nach den Kategorien „kurze und lange Lunte“ sowie „kleiner und grosser Knall“) finden wir das Gesundheitswesen unter Lange Lunte, Grosser Knall. Heisst: Es dauert ein bisschen. Dann knallts aber so richtig.
Beziehung zum Kunden
Nehmen wir einmal die Plattformökonomie als schönes Beispiel für die Transformation der Geschäftsmodelle. Plattformen schieben sich zwischen Produzent und Konsument. Die direkte Kundenbeziehung geht verloren (Siehe auch Kundenschnittstelle). Meistens geschieht das nach und nach. Und irgendwann ist es soweit: Der Konsument orientiert sich an Bewertungen, den jeweiligen Spezialisten, die Klinik, den Arzt, die beste und günstigste Kasse, die bekommt er von seiner jeweiligen Plattform empfohlen. Die können das Spiel mit den Daten. Die verstehen, wie sie die Bedürfnisse des Kunden ergründen und wissen, wann er was in welcher Menge, warum benötigt.
Die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche. Vollständig anders als in anderen Branchen- und trotzdem für einen Außenstehenden wie mich…überhaupt gar nicht. Im Gegenteil!
Wie in vielen Branchen drängt sich einem der Eindruck auf: Veränderung funktioniert nur, wenn der Schmerz gross genug ist. Und der ist hier noch nicht groß genug. Läuft ja. Zumindest bis jetzt.
Die Treiber der Digitalisierung im Gesundheitswesen
Exemplarisch kann man einmal drei Treiber für die Digitalisierung im Gesundheitswesen herausstellen:
- Nutzen für Patienten: Der Nutzen des Patienten steigt indem digitale Player zunehmend den Patienten steuern. Es gibt ständig mehr hoch innovative Digital Health Lösungen. Und die Vernetzung der Lösungen bietet einen großen Kundennutzen.
- Digitale Lösungen im Gesundheitswesen bieten hohen Nutzen für den Patienten
- Etablierte Akteure verschwinden: Disruption und Transformation der Geschäftsmodelle gibt es auch und vor allem im Gesundheitswesen und E-Health. Dabei werden die Versorgungsketten neu gestaltet. Ein weiterer Punkt ist die Kundenbetreuung, die neu definiert wird. Medizin wird zunehmend personalisierter und die künstliche Intelligenz hilft den Patienten, Symptome besser einzuordnen.
- Dadurch das etablierte Akteure verschwinden, werden auch komplett neue Märkte entstehen
- Disruptive Geschäftsmodelle entstehen schon lange: Apple übernimmt zahlreiche Unternehmen aus der Gesundheitsbranche. Google hat mit z.B. Smart Lens bereits ein Nischenbranche besetzt und sammelt erste Erfahrungen. Amazon hat mit dem Projekt 1492 auch seine Fühler ausgestreckt. Überhaupt scheint die Amazon „Wenn…dann…Technologie“ (kaufst du einen Kühlschrank wird dir ein Trockner empfohlen) sehr gut auf die Medizin übertragbar sein, hat sie doch eine nicht zu geringe Analogie zur Medizin, in der in der Differentialdiagnose Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen behandelt werden. Künstliche Intelligenz wird zukünftig hierbei ein große Rolle spielen.
Die Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung
Um uns der Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung anzunähern sind hier einige wesentliche Ausprägungen beschrieben:
- Personalisierung
- Ursachen werden schneller erkannt und diagnostizierbar
- Veränderte Therapie: Medikament, Dosierung...basierend auf bisherigen Daten, Krankheiten, Allergien etc.
- Wearables zur Therapie überwachung und -steuerung. Einen Schritt weitergedacht und heute schon problemlos möglich, die Implementierung von Chips.
- Digitalisierung
- Big Data, Künstliche Intelligenz sind wichtige Werkzeuge zur Bewertung der Therapien aber auch zur Unterstützung und teilweisen Ersetzung von Ärzten
- Medizinisches Wissen verdoppelt sich ab 2020 alle 73 Tage. Das ist durch human power auf Dauer nicht sinnvoll handlebar
- Mechanisierung
- Intelligente Roboter und Unterstützungssysteme werden Personal ersetzen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es auch im Gesundheitsbereich, in dem es bisher einen Fachkräftemangel gibt, zukünftig wie in allen Branchen, weniger Arbeit geben wird.
- Gesellschaftliche Akzeptanz entscheidend. Veränderung geschieht nur durch Schmerz und Druck. Diese sind noch nicht groß genug. Daher gibt es bisher auch für eine dringend notwendige Mechanisierung keine Akzeptanz. Als Hochtechnologieland muss Deutschland auch jetzt weiterhin führend in neuen Technologien sein.
- Telemedizin: Auch hierzu nur drei Gedanken:
- Expertenwissen wird in die Fläche getragen
- Die Telemedizin ist nicht an nationale Grenzen gebunden
- Die Telemedizin stellt eine Chance für den Fachkräftemangel dar.
Übrigens sind viele der hier aufgeführten Punkte keine Zukunftsmusik mehr, sondern längst Realität. Schaut man sich die Telemedizin in vielen afrikanischen Ländern oder in Teilen Indiens an, so ist diese nicht zuletzt durch große Entfernung, noch weniger Fachkräfte, absolut unausweichlich und Realität.
Von Big Data zu Smart Data- auch im Gesundheitswesen
Unternehmen müssen in einer zunehmend dematerialisierten Welt zum Smart-Data Unternehmen transformieren – auch in der Gesundheitsbranche. Das bedeutet, Sie müssen, um es kurz zu machen sich u.a. mit folgenden Dingen beschäftigen:
- Wie schaffe ich es Daten zu generieren? Ja. Richtig. Die Daten, die in vielen Unternehmen, bei vielen Akteuren vorhanden sind, dürfen nicht für Marketingzwecke genutzt werden. Aber warum werden die Nutzer nicht gefragt, ob die vorhandenen Daten zu Ihrem Vorteil genutzt werden dürfen? Warum incentivieren Unternehmen (z.B. Krankenkassen) das nicht? Und wenn der Nutzer nicht will, muss ich halt neue Daten generieren!
- Wie systematisiere und strukturiere ich die Daten? Ein strategisches Thema, abhängig vom vorab definierten Ziel, von den Maßnahmen, von der Personal-Power, vom Wissen und Know-How.
- Wie nutze ich die Daten? Warum zur Hölle, fragt meine Krankenkasse nicht, wie es mir geht? Wenn irgendjemand diese Daten von mir hat, dann die. Warum gibt mir meine Krankenkasse keine Empfehlung, wenn mir Medikamente verschrieben werden, die nicht zueinander passen? Warum bekomme ich keine Präventionstips von meiner Krankenkasse?
Weiteres zum Thema Big Data, Smart Data!
Fazit der Digitalisierung im Gesundheitswesen
Digitalisierung bedeutet zunächst einmal die Veränderung der Kundenbedürfnisse. Eine Ausprägung der Digitalisierung ist die Sharing Economy, die dazu führt, dass sich alle Geschäftsmodelle in kürzeren Zyklen ändern müssen. Ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung sind Daten, die es gilt, zu erheben, zu systematisieren und zu nutzen. Sie sind die Basis für die optimale Befriedigung (oftmals erst für das Herausfinden) der Kundenbedürfnisse.
Gerade das Gesundheitswesen wird sich massiv ändern, hat es sich doch bisher in Deutschland massiv abgeschottet. Sowohl der politische als auch der gesellschaftliche Druck und Veränderungswille scheinen bisher nicht groß genug. Die digitale Patientenakte, nicht abrechenbare Stunden in der Telemedizin sind daher nur Beispiele wo das föderale System bisher vollständig versagt. Das Gesundheitswesen in Deutschland benötigt dringend eine langfristige Vision, eine Strategie, einen Handlungsleitfaden und schnelle, agile Umsetzung um den Kunden so in den Mittelpunkt zu stellen, dass er zukünftig nicht von Amazons und Googles betreut wird. Dazu müssen einige bisher unerschütterliche Grundannahmen ergebnisoffen überprüft werden.
Ein weiteres Beispiel ist übrigens die Digitalisierung der Bankenbranche!