Interview mit Dr. Dorothee Strunz
Dr. Hubertus Porschen: Hallo Frau Strunz, schön, dass ich hier sein darf, vielleicht erzählen Sie mal ganz kurz wer Sie sind.
Dr. Dorothee Strunz: Ich bin Dorothee Strunz, ich bin zusammen mit meinem Mann und meinen Kindern Geschäftsführerin von Lamilux, einem mittelständischen Familienunternehmen hier mit Sitz im oberfränkischen Rehau. Wir beschäftigen 1200 Mitarbeiter und produzieren in dem einen Unternehmensbereich Tageslichtelemente, wie Lichtkuppeln und im anderen Unternehmensbereich Bahnen und Platten aus faserverstärkten Kunststoffen. Wir sind hier in der Region sehr stark verwurzelt, engagieren uns hier, bringen uns ein, leben hier sehr gerne - im ländlichen Raum. Wir haben sehr stark das Thema Ausbildung im Fokus, also kümmern uns um den Nachwuchs, haben über eine 10 Prozent liegende Ausbildungsquote. Dabei versuchen wir in den Bereichen, in denen wir uns engagieren, die besten zu sein, im Hinblick auf Innovation, auf Qualität, auf Problemlösung, auf Service und auf Problemlösung bei unseren Kunden. Lamilux hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt und ich denke, dass wir uns auf diese fünf Punkte so stark fokussieren, ist der Grund für den Erfolg.
Dr. Hubertus Porschen: Ich habe mich gefragt, wie andere Menschen Sie beschreiben würden und dann habe ich ganz häufig gehört: “Sie ist eine Macherin, super schnell, begeisterungsfähig”, das kam von außen an, dass sie diese Eigenschaften auszeichnen. Da ich Sie jetzt auch schon ein bisschen kennengelernt habe kam das für mich auch raus: eine Begeisterungsfähigkeit für neues. Woher nehmen Sie diese Motivation?
Dr. Dorothee Strunz: Wir haben im Moment ein Nachwuchsförderungsprogramm für junge Leute. Dort durchlaufen sie ein Assessment-Center, hier werden Ihnen verschiedene Fragen gestellt, wie z.B. “Wofür brennen Sie?” Da ich mich jetzt mit dieser Frage schon sehr häufig beschäftigt habe, in den 24 Gesprächen die ich letzte Woche geführt habe, habe ich mich natürlich auch gefragt, wie es bei mir aussieht. Also ich brenne für den Wunsch, Dinge im positiven Sinne nach vorne zu bringen und zu verändern. An solchen Dingen habe ich riesen Spaß, Dinge zu erkennen und zu sagen: “Komm, hier sollte man etwas unternehmen, hier sollte man etwas verändern und erreichen, dann den Weg zu formulieren und loszulegen. Zu netzwerken, Menschen einzubinden, anzusprechen, Zwischenetappen zu formulieren, das mache ich sehr gerne. Ich denke, das kommt einfach von dem Wunsch, Dinge zum positiven zu verändern.
Dr. Hubertus Porschen: Wie bilden Sie sich selber weiter? Ich glaube, viele junge Menschen überlegen, welche Kompetenzen sie mitbringen müssen, um im heutigen Berufsleben erfolgreich zu sein. Sei es als Unternehmer oder Angestellter. Ich besuche eine Menge Seminare, bilde mich immer weiter fort, schaue YouTube-Videos an. Was ist da Ihre Art und Weise nach vorne zu blicken? Geht jemand wie Sie auch zu Seminaren, schaut sich YouTube Videos an und liest Bücher?
Dr. Dorothee Strunz: Ich bilde mich sehr stark in meinem Alltag weiter, durch die vielfältigen Anforderungen, die ich als Geschäftsführerin hier in einem solchen Unternehmen zu erfüllen habe. Ich habe einen ständigen Lernprozess. Aber ich besuche natürlich auch Seminare, wobei in den letzten Jahren eher weniger, aus Zeitgründen. Natürlich würde ich das gerne mehr machen, da lernen was wunderbares ist. Es ist was tolles, mehr zu wissen und neues zu erfahren. Am meisten lerne ich aber durch meine Projekte, durch die Dinge die ich tue. Wenn Sie mich fragen, wie ich das mit Blick auf die jungen Leute sehe, glaube ich, dass die Vorstellung, dass man sich ganz viel Fach- und Sachwissen aneignen muss, dass das gar nicht so entscheidend ist. Viel wichtiger ist eine bestimmte Einstellung zu “Wissen”. Entscheidend ist, eine bestimmte Denkweise, eine kritische, selbstkritisch, kreative und flexible Denkweise. Außerdem ist es wichtig, dass auch Rollen und Perspektiven im Denkwechsel dargestellt werden. Ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig. Bei der Erziehung von jungen Menschen sollte außerdem noch viel mehr darauf geachtet werden, dass sie zu kritischem Denken und innovativem Denken erzogen werden. Auch, dass sie ertüchtigt werden, schwierige, technologische Lösungen oder Ansätze zu finden, ohne dass sie eine Anleitung vorgebetet bekommen. Junge Menschen sollen ihrer Selbständigkeit sehr gefördert werden. Im selbständigen, kritischen und selbstkritischen denken gefördert werden. Ich habe das aufgrund meiner Erziehung eigenständig entwickelt. Mir persönlich fällt das nicht schwer, aber ich sehe das bei anderen jungen Menschen, wo ich doch auch beobachte, dass ein bisschen Ängstlichkeit dabei ist. Viele junge Menschen wollen alles richtig machen, haben Angst davor, sich falsch zu benehmen, etwas nicht hundertprozentig zu machen. Ich würde sagen: “Lieber nicht 100-prozentig, aber tun.” und das ist auch absolut mein Lebensmotto. Vielleicht auch ganz gut geschrieben durch den Satz von Erich Kästner “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es”. Dieses Leitmotiv prägt mich bis heute.
Dr. Hubertus Porschen: Können Sie 1-2 Projekte beschreiben, welche Ihnen besonders wichtig sind?
Dr. Dorothee Strunz: Zunächst zu meiner Kindheit. Ich denke, dass ich von meinem Vater sehr stark geprägt wurde. Denn er war der erste Geschäftsführer des deutschen Entwicklungsdienstes. Und war als Jurist, er hatte auch eine Stelle als Beamter, sein ganzes Leben lang in Entwicklungsländern unterwegs und hat sich auch sehr stark dafür eingesetzt, dass sich die Lebensumstände Einzelner verbessern. Meine Mutter war Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, hat sich also auch dafür eingesetzt, dass es den Menschen besser geht. Und das hat vielleicht in mir auch so eine geistige Grundhaltung erzeugt, also ich mache das sehr sehr gerne.
Es gibt ein sehr wichtiges Projekt in Richtung Digitalisierung, da es in den Schulen sehr langsam vorangeht, zu langsam. Wichtig ist, dass da das Fenster, die Begeisterung für Technik frühzeitig geöffnet wird. Schade finde ich das gerade im Blick auf die Mädchen, denn Mädchen trauen sich viel zu wenig zu. Dabei sehen wir gerade bei Projekten in der Pubertät, dass Mädchen eigentlich sehr gut fürs Programmieren geeignet wären. Weil Programmieren ist so ein bisschen wie Handarbeit. Sie müssen sehr genau, sehr präzise und sehr geduldig arbeiten. Das können Mädchen, aber Mädchen trauen sich das Programmieren in der Regel nicht zu - sie sehen sich in diesem Thema meistens garnicht. Da müsste eigentlich ein kompletter Kulturwandel erfolgen. Sie müssten viel früher dort herangeführt werden, müssten viel früher ermuntert werden. Man müsste ihnen sagen: “Gerade ihr könnt das besonders gut!”. Und so habe ich hier ein Projekt ins Leben gerufen, habe eine Kompetenzakademie gegründet. Wir sind jetzt heute dabei, dass wir hunderte von Schülern auf freiwilliger Basis mit Scratch, einer Programmiersprache in Berührung bringen. Als Tutoren setzen wir IT-Studenten von der Hochschule, Auszubildende von Unternehmen und Gymnasiasten oder Schüler von Voss Boss ein. Die lernen ihrerseits auch unheimlich viel positives Dinge. Die Tutoren kommen in die Rolle des Lehrenden, machen für sich eine wichtige Erfahrung. Viele die das gemacht haben, stellen hinterher fest, dass das ihnen sehr viel freude bereitet hat, anderen was zu vermitteln. Die anderen merken, dass es das definitiv nicht ist. Das ist ein Projekt, wo ich mich freue, dass ich die relevanten Persönlichkeiten angesprochen habe und Unterstützung erfahren habe. Außerdem habe ich natürlich auch im Unternehmen Mitarbeiter, die mich da organisatorisch unterstützen, sonst ginge das gar nicht. Emotional berührt mich, dass ich sehe das andere Menschen da einfach enorm von profitieren, von diesem Erfahrungsfeld und in ihrer Entwicklung sehr gut nach vorne kommen.
Dr. Hubertus Porschen: Was war denn bisher Ihr bestes Investment, monetär, zeitlich? Gibt es so etwas? Was ist generell ein gutes Investment für Sie?
Dr. Dorothee Strunz: Meine Entscheidung ins Unternehmen zu gehen. Ich bin ja eigentlich von der Ausbildung her Juristin und ich bin nach der Ausbildung mit meinem Mann direkt hier nach Rehau gezogen. Mein Mann musste das Unternehmen sehr schnell übernehmen, weil mein Schwiegervater todkrank war. Ich habe dann erst promoviert und wir haben Kinder bekommen. Und dann hatte ich mir die Frage gestellt, wie es für mich jetzt beruflich weitergeht. Ich wusste auf jeden Fall, dass ich arbeiten wollte und ich hatte dann überlegt, in den Staatsdienst zu gehen. Wo ich am Anfang meiner Ausbildung zu tendiert hatte, als Richter, werde ich Anwältin oder gehe ich ins Unternehmen. Und mein Mann hat mich dann eigentlich ermuntert ins Unternehmen zu gehen. Zudem meinte er mal zu mir “Pass mal auf, ich könnte dir jetzt ein bisschen Geld übertragen oder ich könnte dir Anteile am Unternehmen übertragen. Was hättest du denn gerne?”. Ich hatte mich dann für die Unternehmensanteile entschieden und das war sicherlich mein bestes Investment, finanziell betrachtet. Aber auch persönlich und zeitlich, dass ich die Chance hatte mich hier als Unternehmerin zu entwickeln, was ja eigentlich von meiner Kindheit her nicht vorgegeben war. Das war eigentlich das beste Investment, was ich in meinem Leben gemacht habe. Und ich bin in dieser Rolle sehr glücklich geworden.
Dr. Hubertus Porschen: Vielleicht jetzt zum Schluss noch: Möchten Sie uns noch eine große Lebensweisheit mitgeben? Um es einmal zu präzisieren: Was ich jetzt so eindrucksvoll finde, nach dem Gespräch mit Ihnen, ist die Selbstverständlichkeit wie Sie als, ich hoffe ich sage jetzt nichts falsches, aber es ist ungewöhnlich, dass eine Frau in einer so männerdominierten Branche so selbstverständlich Chef ist und das spürt man hier, wenn Sie irgendwo durchgehen. Das finde ich unglaublich eindrucksvoll, das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Was können Sie denn so im speziellen Frauen raten? (Selbstvertrauen und Selbstverständlichkeit sind zwei sehr wichtige Punkte.)
Dr. Dorothee Strunz: Ich bin mit drei Brüdern aufgewachsen, ich war die einzige unter drei Brüdern und das hat mich sehr geprägt und beschult. Mein Rat an alle jungen Mädchen und alle jungen Frauen: Traut euch was, traut euch was zu. Raus aus der Komfortzone, den Wettkampf, den Wettstreit aufzunehmen. Ich habe in meinem Leben oft um Ämter gegen Männer kandidiert, wo selbstverständlich war, zuerst fragen wir den Mann, obwohl ich gar nicht gefragt wurde. So dass ich dann gesagt habe ”Hallo, wieso werde ich nicht gefragt, ich würde mich auch für das Amt interessieren!”, in die ich dann auch gewählt worden bin. Oft heißt es auch irgendwo sich einzubringen, sich zeigen und zu positionieren. Das machen Frauen oft nicht gerne. Und nicht nur angepasst, brav und gefällig sein, sondern einfach auch sich trauen eine Position einzunehmen und die zu vertreten. Das ist ganz wichtig. Da muss man sich als Frau dann natürlich auch im klaren sein, wenn man bestimmte Positionen einnehmen will so wie Männer das tun, dann ist das auch oft ein unbequemes, anstrengendes Leben - also das muss auch schon klar sein. Bestimmte berufliche Positionen sind einfach mit harter Arbeit, langen Arbeitszeiten und wenig Freizeit verbunden. Dazu muss man dann halt auch bereit sein.
Dr. Hubertus Porschen: Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Dorothee Strunz!