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Mehr Eigenverantwortung der Bürger- Interview Prof. Dr. Christian Hagist

Prof. Hagist ist einer der wenigen Wissenschaftler, die sich auch trauen, unbequeme Dinge auszusprechen. Im Zuge meines Einsatzes für die Generationengerechtigkeit während meiner Verbandstätigkeit für die Jungen Unternehmer, habe ich sein Engagement für die junge Generation zu schätzen gelernt. Mit Ihm spreche ich über Rentenversprechen, über Politik und Chancengleichheit.

Sie plädieren für mehr Eigenverantwortung der Bürger in der Sozial- und Rentenversicherung. Würde das nicht diejenigen treffen, die sowieso schon wenig haben?

Prof. Dr. Christian Hagist: Mehr Eigenverantwortung heißt nicht, dass wir die Gesellschaft aus der Verantwortung entlassen. Natürlich müssen diejenigen versorgt werden, die krank oder pflegebedürftig sind. Aber diejenigen, die sich selbst helfen können, sollten das auch tun, zumal wenn sie mehr in Anspruch nehmen als nötig. Wenn der Patient entscheidet, wie viele Ärzte er für eine Diagnose aufsucht, muss er einen Teil der Kosten tragen. Wir sollten uns zum Beispiel auch fragen, ob beispielsweise Kuren über die sozialen Systeme aufgefangen werden müssen. Gerade in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung ist es sehr fraglich, wie wir ohne ein Mehr an Eigenverantwortung weiterwirtschaften können. Die Politik muss den Bürgern reinen Wein über die Lage einschenken, ihnen sagen, dass wir uns die Vollkaskomentalität nicht mehr leisten können und es nur noch Teilkasko geben wird.

Die Politik müsste den Wählern also unangenehme Wahrheiten verkünden. Glauben Sie wirklich, dass das passieren wird und leisten wir damit nicht dem Populismus Vorschub?

Prof. Dr. Christian Hagist: Im Gegenteil. Man leistet dem Populismus Vorschub, wenn  man etwas verspricht, das man am Ende nicht halten kann. Dann ist der Wähler enttäuscht. Nehmen wir die blühenden Landschaften, die Helmut Kohl den Ostdeutschen versprochen hat. Es gibt sie nicht und die Wähler machen ihrer Enttäuschung Luft, indem sie populistische Parteien wählen. Ich glaube, dass eine transparente Politik, die sagt „du bist für einen Teil selbst verantwortlich“, ein Prellbock gegen Populismus ist.

Politiker sind durchaus in der Lage, die Wahrheit zu sagen. Die Regierung Schröder zum Beispiel hat entsprechende Pflöcke eingeschlagen. Doch aufgrund der guten Konjunktur sehen sich die Politiker genötigt, Geschenke zu verteilen. Wir brauchen keinen anderen Typ von Politiker, denn im internationalen Vergleich sind wir gut aufgestellt. Was wir brauchen, ist mehr Mut.

Sie sprechen von Chancengleichheit im Bildungsbereich. Was verstehen Sie darunter und welche Forderungen haben Sie?

Prof. Dr. Christian Hagist: Die Debatte um die Chancengleichheit treibt in Deutschland gerade seltsame Blüten. Man braucht sich nur die Gebührenstruktur im Bildungsbereich anzuschauen. Die Primär- und Sekundärbildung bringt eine hohe soziale Rendite. Am wenigsten soziale Rendite bringt das Studium. Doch gerade dort wollen wir keine Gebühren erheben, obwohl das Studium die höchste private Rendite in Form hoher Gehälter bringt. Im primären Bereich erheben wir dagegen Gebühren für Kindergärten und Kitas. Doch gerade im Sinne der Integration und Chancengleichheit sollten wir hier auf Gebühren verzichten, damit alle Kinder die gleichen Startchancen haben.

Außerdem brauchen Schulen mehr Autonomie bei der Einstellung und Bezahlung von Lehrern sowie der Gestaltung des Unterrichts vor Ort. An den Grundschulen sollte ein Fach Informatik flächendeckend angeboten werden. Um etwas über Algorithmen zu lernen, müssen die Kinder nicht einmal vor dem Computer sitzen. Das geht auch spielerisch in der Turnhalle. Ja, es mangelt an entsprechenden Lehrern, aber warum finden wir denn kaum Informatik-, Mathematik und Physiklehrer? Weil sie in den Unternehmen mehr verdienen. Und natürlich leistet die Deutschlehrerin ebenso gute und wichtige Arbeit, aber davon gibt es genug. Deshalb müssen wir das Gehaltssystem flexibler machen.

Die Universitäten haben zwar verfassungsrechtlich einen hohen Grad an Autonomie, doch hier geht es eher um die Finanzierung. Wenn die Länder ab 2020 wegen hoher Pensionslasten Finanzprobleme bekommen, wird es auch für die Universitäten eng werden – einer der Gründe, weshalb die antiquierte Finanzierung von Bildung über die Länderhaushalte abgeschafft werden muss. Im globalen Wettbewerb muss Bildungsfinanzierung und Standardsetzung Sache des Bundes sein.

Ist die Angst vieler Menschen, durch die Digitalisierung ersetzt zu werden, berechtigt?

Prof. Dr. Christian Hagist: In Deutschland ist diese Angst nicht berechtigt. Deutschland wird ohne Digitalisierung sein Wohlstandsniveau gar nicht halten können. Natürlich können Einzelne betroffen sein, zum Beispiel die Mitarbeiter von Call Centern, aber nicht die Arbeitnehmer in der Breite. Dafür gibt es Gründe.

Wir werden zum Beispiel aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren Arbeitskräfte verlieren. Und schon jetzt sind Arbeitskräfte knapp. Da ist es eher positiv, wenn Jobs automatisiert werden. Durch die duale Ausbildung können die Unternehmen sehr schnell auf Veränderungen reagieren. Sie wissen, welche Berufe gebraucht werden. Die Unternehmen sitzen in den Ausbildungskommissionen und können direkt eingreifen. Der Markt kann auf diese Weise die Bedürfnisse direkt ins Ausbildungssystem zurückspielen. Gut ausgebildete Menschen werden weiterhin gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Neu ist, dass es für Jobs wie Banker oder Steuerberater schlecht aussieht. In vielen anderen Bereichen hilft die Digitalisierung dem Menschen, zum Beispiel den Ärzten bei der Diagnostik. In einigen Bereichen werden wir gar keine Roboter wollen, sondern Menschen.

Was müssen die Unternehmen tun, damit Deutschland digital nicht abgehängt wird?

Zunächst einmal muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die es den Unternehmen ermöglicht, digitale Technologie zu nutzen. Und auch die gesetzlichen Grundlagen müssen angepasst werden. Datenschutz zum Beispiel ist ein wichtiges Gut, aber wir hängen im 20. Jahrhundert fest. Zudem muss dringend die Verwaltung digitalisiert werden, hier sind ärmere Staaten wie etwa die Länder des Baltikums viel weiter.

Auf dem Gebiet Weiterbildung muss einiges getan werden. Für die Unternehmen war das bisher eher eine Werbemaßnahme oder lief nebenher, doch Weiterbildung wird ein gesellschaftliches Universalthema werden, vor allem wenn wir alle länger arbeiten sollen.

Wie stellen Sie sich Deutschland im Jahr 2030 vor?

Prof. Dr. Christian Hagist: Ich sehe das reichste Deutschland, das es je gab. Bis 2030 werden einige Revolutionen stattgefunden haben. Zum Beispiel werden wir zumindest teilweise in selbstfahrenden Autos unterwegs sein. Der Klimawandel wird sich verschlimmern und zeigen, dass die derzeitige Flüchtlingskrise nur der Anfang war. Es kann uns besser gehen, aber wir müssen es gemeinsam managen. Und als überzeugter Demokrat hoffe ich, dass der Populismus bis dahin Geschichte ist.

Information: Prof. Dr. Christian Hagist hat an der Otto Beisheim School of Management den Lehrstuhl für Generationenübergreifende Wirtschaftspolitik inne, gestiftet vom Verband „Die Familienunternehmer“.

 

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Ich bin Premium Keynote-Speaker, Buchautor, Unternehmer und Berater. Mein Motto:  Veränderung geht nur über Schmerz oder Leidenschaft: Besser ist Leidenschaft- meistens ist es Schmerz. Mein Ziel: mehr Leidenschaft und Motivation bekommen. Das Thema Digitalisierung begleitet mit Leidenschaft seit über 20 Jahren meiner Leben. Du suchst nach einem Speaker, der dein Publikum begeistert? Du möchtest dein Business noch erfolgreicher weiterbringen? Ich freue mich auf Austausch! 

Hubertus Porschen