Zu viel Bürokratie- Interview Britta Dassler
Interview mit Britta Dassler über Bürokratie in Deutschland
Die Klage über zu viel Bürokratie in Deutschland ist allgegenwärtig. Jüngstes Beispiel ist die DSGVO. Inwieweit werden deutsche Unternehmen durch zu viel Bürokratie im internationalen Wettbewerb eingeschränkt?
Britta Dassler: In der vergangenen Legislaturperiode sind zusätzliche Belastungen, unter anderem durch die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung, die Arbeitsstättenverordnung und das Entgelt-gleichheitsgesetz entstanden. Gut gemeinte Gesetze, die allein in ihrer Handhabung völlig am gewünschten Ergebnis vorbei zielen. Statt immer neue Gesetze auf den Weg zu bringen, wäre es sinnvoll, bestehende Gesetze auszumisten. Es bedarf also einer Bürokratiebremse, die ein klares Bürokratie-Abbauziel ausweist. Der Mittelstand ist im Bereich der digitalen Standards bereits vorangeschritten. Jetzt ist es an der Zeit, dass die öffentliche Verwaltung nachzieht – Stichwort E-Government. Die Digitalisierung muss zu einfacheren und schnelleren Abläufen führen und nicht zu mehr Bürokratie.
Was muss von politischer Seite aus getan werden, um den deutschen Mittelstand auch zukünftig wettbewerbsfähig zu halten?
Britta Dassler: Es muss ein ganzer Maßnahmenkatalog umgesetzt werden, um die Fesseln des deutschen Mittelstands zu lösen. Wir brauchen endlich flexible Arbeitszeiten und flexiblen Renteneintritt, um individuelle Lebenskonzepte zu ermöglichen und die Anforderungen der Digitalisierung zu bewältigen. Und nein, das Arbeitsvolumen selbst ändert sich nicht, es wird lediglich anders verteilt. Ich möchte, dass jeder Mensch die Freiheit hat, selbst zu entscheiden, wann und wie lange er arbeiten möchte.
Die Idee der bereits angesprochenen, Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist inhaltlich richtig. Leider wurde hier die Chance verpasst, ein innovatives, europäisches Gesetz über Datenschutzstandards zu verabschieden. In der Praxis scheint es unpraktisch und für kleinere Unternehmen kaum umsetzbar zu sein. Parallel dazu ist ein europäischer Rechtsrahmen für nicht-personenbezogene Daten nötig.
Mensch und Unternehmen müssen rein technisch in die Lage versetzt werden, um international im Prozess der Digitalisierung mitzuhalten. Das geht nur mit ausreichend starker Internetbandbreite und schneller funkbasierter Netze (5G). Der vielbesagte Breitbandausbau läuft aktuell nur schleppend, da die Förderprogramme kaum abgerufen werden. Weiterhin muss endlich der Umgang mit den Behörden revolutioniert werden. Wir brauchen das freiwillige „Once-Only“-Prinzip. Also die Möglichkeit, dass Behörden in Auftrag der Unternehmen Informationen und Daten weitergeben dürfen. Dafür bräuchten wir dann transparente Regeln über Anlass, Umfang und Zweck der Weitergabe. Sinnvoll wäre es, solche Regeln, wie im Bereich der Datensicherheit oder Unternehmensbesteuerung, international festzustellen. Daher brauchen wir weitere Handelsabkommen. Diese werden wir aber nur bekommen, wenn endlich die Kompetenzen in dieser Hinsicht zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten eindeutig geklärt sind.
Das deutsche Bildungssystem bringt zu wenige Unternehmer und zu wenige Arbeitskräfte mit digitaler Kompetenz hervor. Woran liegt es?
Britta Dassler: Vorweg muss gesagt werden, dass die Voraussetzung, eine zeitgemäße digitale Infrastruktur, für das Erlernen von digitalen Kompetenzen in den Schulen, insbesondere in den Berufsschulen, völlig fehlt. Diese muss endlich geschaffen werden.
Zusätzlich müssen die Lehrinhalte von Schule und Ausbildung auf einen aktuellen Stand gebracht werden. Viele Prozesse funktionieren heute durch Digitalisierung viel schneller und effizienter. Diese digitalen Kompetenzen müssen bereits in der Schule vermittelt werden. Das funktioniert allerdings nur mit entsprechend ausbildeten Lehrkräften. Es bedarf also einer Fortbildungsoffensive „digitale Bildung“, um die Infrastruktur auch nutzen zu können. Zuletzt möchte ich anregen, dass wir endlich neue Ausbildungsberufe etablieren, um auch die duale Ausbildung weiter zu stärken. Wieso haben wir beispielsweise keinen Kaufmann für Digitalwirtschaft? Die Vielfalt an Zukunftsberufen lässt sich heute noch überhaupt nicht überblicken. Unsere Kinder haben aber einen Anspruch darauf, auf diese Zukunft bestmöglich vorbereitet zu werden.