Redner in der Antike
Die Fachsprachen der Rhetorik sind Lateinisch und Griechisch und das nicht ohne Grund, denn die Grundsteine der Rednerkunst wurden in der Antike, in der es viele Redner gab, gelegt. In Griechenland stehen besonders Athen und Sizilien mit der Fähigkeit zur öffentlichen Rede (der Rhetorik) in Zusammenhang.
Der Ursprung der Rhetorik – Rechtsprechung, Politik und Feierlichkeiten
Die Kunst der Rede und gute Rhetorik-Fähigkeiten waren in der Antike sehr eng verknüpft mit dem Gerichtswesen. Da sich die Bereiche des Rechts und der Rechtsprechung stetig weiterentwickelten, waren immer ausgefeiltere Reden zur Verteidigung oder Anklage gefordert. In Athen konnte zum damaligen Zeitpunkt jeder selbst jemand anderen anklagen und im Fall der eigenen Anklage musste man sich selbst verteidigen, da es Verteidiger oder Staatsanwälte (noch) nicht gab. So hatte jeder Bürger ein eigenes Interesse sich wortgewandt ausdrücken zu können, um seine Position in einem möglichen Prozess wirkungsvoll darlegen zu können. Ein weiterer Ursprung der griechischen Rhetorik liegt in der Politik begründet, da die Fähigkeit gute Reden halten zu können eine Grundvoraussetzung war, um aktiv am politischen und demokratischen Prozess teilzunehmen. Als dritter Ursprung der Redekunst der Antike wird die Feierrede gesehen. Besonders für sich häufende Bestattungen wichtiger Staatsmänner war es von Nöten, sich rhetorisch gewandt ausdrücken zu können, um Lob und Anerkennung aussprechen zu können.
Da Reden und Rhetorik in der Antike immer größere Bedeutung gewannen, gab es auch immer mehr Menschen, die sich als Experten in diesem Bereich etablierten. Mit der Zeit entstanden Rhetorikschulen und das Arbeitsfeld der Berufsredner entwickelte sich. Der Redner Korax (ca. 450 v. Chr.) gilt als einer der Begründer der antiken Rhetorik und schaffte es, sich als erster für seinen Unterricht bezahlen zu lassen.
Berühmte Redner der Antike
In der Antike gab es eine Vielzahl an bekannten Staatsmännern, die mit berühmten Reden und der Rhetorik in Verbindung gebracht werden können. Die bekanntesten und wirkungsvollsten Redner im 5. und 4. Jahrhundert vor Christus waren Isokrates, Demosthenes, Lysias und Aischines.
Allgemein bekannt ist vor allem Cicero (106 – 43 v.Chr.), der als Schriftsteller und Anwalt der wohl bekannteste Rhetoriker/ Redner der Antike ist. In seiner Funktion als Anwalt musste er schon berufsbedingt sehr wortgewandt sein, um für Angeklagte einen Freispruch oder ein mildes Urteil zu verhandeln. Cicero lebte zu Zeiten Caesars in Rom und schaffte es, ohne aus einer reichen Familie zu entstammen, sich durch eine rhetorischen Fähigkeiten und sein Wortgeschick einen Platz als Konsul neben den mächtigsten Staatsmänner seiner Zeit zu erarbeiten. Überlieferte Reden galten zu seiner Zeit, aber auch heutzutage nach wie vor als Lehr- und Meisterwerke der Redekunst. „Die technische Seite des Diskutierens, die Form der Rede und des Schreibens, gewann in seinen Schriften überragende Bedeutung.“, resümiert Bernd Roeck, Professor für Neuere Geschichte der Universität Zürich.
Der Athener Platon (427 – 348 v.Chr.) entwickelte als griechischer Philosoph und Redner den Dialog als Gegenstück zur bis dato ausschließlich bekannten einseitigen Form der Rhetorik. In seinen Augen gab es kein objektives Wissen, sondern nur Meinungen und Ideen, die jeweils durch subjektive Erfahrungen des Betrachters gebildet werden. Der wohl berühmteste Schüler Platons war Aristoteles (384 – 322 v.Chr.), der in seinem Werk „Technik der Rhetorik“ besonders den praktischen Aspekt der Überzeugung durch Reden darlegte. In weiteren Werken befasste er sich ebenfalls mit der Dialektik, also der Theorie der Argumentation. Aristoteles wurde dafür bekannt, dass er das Erlernte aus der Rednerschule vor allem im Alltag anwenden wollte und so bekannte Ideen und Theorien weiterentwickelte.
Sokrates (469 – 399 v.Chr.) entwickelte als weiterer berühmter Redner der Antike als Philosoph die Methode des strukturierten Dialog. Im Fokus standen dabei Fragen an die Gesprächspartner die dazu führen sollten, dass diese zur Selbstreflexion angeregt werden. Nicht zuletzt gilt Unterweisung des Redners (Institutio oratoria) von Quintilian (35 – 96 v.Chr.) als einer der umfassendsten und ausführlichsten Darstellungen der Redekunst der Antike.
Was macht einen guten Redner aus?
Alle oben genannten Redner zeichneten sich durch eine Fähigkeit aus: Den hervorragenden und perfektionierten Umgang mit der Sprache. Zu diesem Handwerkszeug gehörte zusätzlich ein großes Interesse für gesellschaftsrelevante Themen, denn schließlich braucht jeder noch so gute Redner auch ein Thema. Ein guter Redner der Antike war sehr häufig im politischen Umfeld tätig und bezog Positionen zu wichtigen Entscheidungen und Themen. Um seine Mitmenschen von seiner Weltanschauung zu überzeugen, konnte er große Bilder malen und Menschen hinter seiner Vision vereinen. Auch hat es ein guter Redner geschafft, seine Ideen zielgruppenorientiert zu vermitteln, denn im Senat spricht man anders, als auf dem Stadtplatz.
Cicero und Twitter – Antike Redner heute?
Von den Rednern der Antike und ihrem Verständnis der Rhetorik kann man einiges lernen, jedoch gibt es auch eine Vielzahl an Neuerungen, welche die alte Kunst des Redens vor neue Herausforderungen stellt.
Eine gute Rede kann viele Menschen mitnehmen, sie von einem Thema begeistern und auch ihre Entscheidungen beeinflussen – was sich für die Antike bewahrheitet hat, ist auch heute zutreffend. Lernen kann man vor allem, wie Argumente aufgebaut wurden und wie verschiedene rhetorische Elemente (wie Metaphern) dazu beitragen können, eine einfache Idee stilvoll zu verpacken. Ein Kernelement ist damals wie heute geblieben: Der Wille Andere durch Reden und die eigene Redekunst von etwas zu überzeugen. Heute versuchen vor allem Politiker ihre Themen und Ideen durch Reden zu positionieren, um damit Wählerstimmen zu gewinnen und ihre Partei zu unterstützen. Doch auch die Opposition – wie beispielsweise die Klimaaktivisten um Greta Thunberg von Fridays for Future – nutzt öffentliche Auftritte und Reden, um ihre Meinung zu teilen und neue Unterstützer zu finden. Von den Rednern der Antike haben beide Gruppen gelernt, dass Reden eine gute Möglichkeit sind, um schnell ein breites (und vielleicht bisher auch unadressiertes) Publikum zu erreichen. Ebenso gibt es heute auch zahlreiche Keynote-Speaker und Motivationsredner, die den damaligen Beruf des Redners in der Antike in die heutige Zeit übertragen haben.
Nicht zu vergessen ist hier jedoch, dass ein großer Unterschied zwischen den Reden der Antike und den Reden der Neuzeit das Publikum ist. Während Cicero und den Kollegen der damaligen Zeit noch die ungeteilte Aufmerksamkeit bei politischen oder gesellschaftlichen Debatten zukam und besonders viel Wert auf sprachliche Feinheiten gelegt wurde, ist der Wert des einzelnen Worts in der heutigen multimedialen, schnelllebigen und reizüberfluteten Zeit nicht mehr so bedeutend. Mit Twitter und Co. kann jeder Internetnutzer zum Redner werden und seine Meinungen und Ideen verbreiten. Nonverbale Elemente wie Mimik und Gestik werden heute immer unwichtiger, da häufig Texte ohne Bildelemente übermittelt werden und nur das geschriebene Wort beim Leser ankommt. Von der Antike lernen kann man daher, wie das „Gesamtpaket Rede“ funktioniert, denn dazu gehören nicht nur ein schlüssig aufgebauter Text, sondern eben auch die passende Ausdrucksweise durch Elemente wie Pausen, Handbewegungen oder Höhenvariationen der Stimme.
Antike Reden passen nicht in einen Tweet – das sollten sie auch gar nicht – denn es ging häufig um große Entscheidungen und wichtige Themen, die die Zukunft bestimmen. Für eine Rückbesinnung auf heutige wichtige politische und gesellschaftliche Themen hilft es sicherlich, sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, mit wie viel Aufwand und Leidenschaft damals Reden geschrieben wurden. Das sind wir den großen Themen dieser Zeit eigentlich auch heute noch schuldig.