Montagsfehler: Warum die Idee nicht zählt
Im Rahmen meiner Reihe über er- und gelebte Fehler schreibe ich heute, warum die Idee nicht zählt. Auf Vorträgen oder Videos von sogenannten Gründerexperten höre ich immer wieder, dass die Idee zur Gründung extrem wichtig ist und einer der zentralen Erfolgsfaktoren ist. Ich glaube, dass die Idee bei der Unternehmensgründung überbewertet wird.
Ganz ehrlich: Welche Ideen sind gut, welche nicht? Gibt es die Idee schon? Ist sie wirklich neu und innovativ? Sind es wirklich die „guten“ Ideen, die sich durchsetzen bzw. die „Richtigen“. All right. Eine tolle Idee hat schon was. Allerdings: Meistens enden die Gründer im Desaster, die für sich beanspruchen, die beste Idee zu haben. Es sind die Leute, die denken, dass ihr Pitchdeck sowas von geheim ist, dass sie es mit niemandem teilen oder einen NDA dafür haben möchten. Und damit möchte ich nicht sagen, dass eine Idee schlecht sein sollte. Aber meistens reicht eine gute Idee eben auch um erfolgreich zu sein. In den seltensten Fällen passt man als Gründer sein Produkt nicht an und startet mit der ersten Idee durch.
Auch ich habe mir eingeredet, dass das was ich mache „innovativ“ sein muss. Als wir 2010 mit App-Arena Web-Applikationen standardisiert haben, war das relativ außergewöhnlich und innovativ. Es gab einige Unternehmen in den USA, die mit ordentlich Venture Capital ausgestattet waren – aber in Deutschland war der Wettbewerb fast nicht vorhanden. Gleichzeitig gab es durch den plötzlichen Boom von Facebook die Nachfrage nach Lösungen zur Leadgenerierung und Fangenerierung sowie der Interaktionssteigerung durch Applikationen, die sich auch direkt in Facebook einbinden lassen. Wir hatten eine gute Idee zur richtigen Zeit und damit unsere Nische gefunden.
Meine Meinung hierzu: Die Idee wird überbewertet. Wenn überhaupt- ist sie im ersten Schritt wichtig, um eine Nische zu finden. In den weiteren Lebensphasen eines Unternehmens wird das Festhalten an einer Idee dann zunehmend zum Problem. Je überzeugter man als Gründer von einer Idee ist, desto schlechter.
Digitalisierung bietet die Möglichkeit mit relativ wenig Aufwand, eine Idee oder eine Variation zu validieren – durch Google Adwords, durch Facebook Ads und damit verbundene Tests, ob es für das Produkt einen Markt gibt. Übrigens sind es nicht nur die Möglichkeiten der Digitalisierung, die einen Test einer jeweiligen Idee auf Marktreife ermöglichen, sondern auch und vor allem Möglichkeiten im Offline-Bereich. Hierzu zählen Kundenbefragungen, Interviews und direkte Tests.
In den seltensten Fällen von erfolgreichen Start-Ups ist es so, dass die ursprüngliche Idee nachher zum Erfolg führte. Mir fallen hier nicht nur die allgegenwärtigen Unternehmen wie Netflix (als Videoverleih mit monatlicher Flatrate gegründet) oder Facebook (Facemash – zwei Gesichter werden gegenüber gestellt und der Nutzer kann für eines abstimmen) ein, sondern auch die erfolgreichen deutschsprachigen Start-Ups Runtastic (wollten ursprünglich feste Laufstrecken in Wien installieren) und Urban Sports Club (Menschen ermöglichen, gemeinsam Sport zu treiben).
Allen gemeinsam ist, dass sie bis heute konsequent Nutzerfeedback einholen und das Produkt an die neuen Bedürfnisse (Digitalisierung=neue Bedürfnisse!) anpassen.
Jetzt stellen Sie sich einen Gründer vor, der von seiner eigenen, tollen Idee besessen ist. Ist die Veränderungsbereitschaft der Geschäftsidee größer oder kleiner, wenn man selbst an „sein Baby“ denkt, seine Geschäftsidee, der man auch emotional verbunden ist. Baby, ist Business not Hobby! Eine emotionale Verbundenheit zum Produkt wirkt sich also eher negativ auf den Geschäftserfolg aus.
Bei meinem Start-Up App-Arena haben wir uns mit Veränderungen immer sehr schwer getan. Zum einen funktionierte das bestehende Geschäft, zum anderen habe ich immer wieder festgestellt, dass Veränderungsprozesse auch bei Mitarbeitern und mir selber eine echte Herausforderung sind. 2013 änderte Facebook verschiedene Schnittstellen in seinem Netzwerk. Unsere Apps hatten bis dahin hauptsächlich den Einsatzbereich des sozialen Netzwerkes, weniger Webseiten. Nun liessen sich die Apps zwar noch einbinden, aber der Nutzen der Fangewinnung (was bis Dato der Hauptnutzen war) war nicht mehr da. Mehrere Mitbewerber in dem Nischenmarkt veränderten sich zu reinen Dienstleistern oder gingen insolvent. In der Phase waren wir glücklicherweise so klein und agil, dass wir unser Produkt schnell anpassen konnten. Seit 2013 sind der Einsatzbereich unserer Apps hauptsächlich Webseiten und nicht soziale Netzwerke.
Es ist also nicht die Fähigkeit, eine tolle Idee zu entwickeln, sondern die Fähigkeit, die Idee anzupassen, die erfolgreiche Gründer auszeichnet. Es ist die Fähigkeit, eines richtigen Pivoting, das kontinuierlich stattfinden sollte.
Dabei ist Pivoting nichts anderes als eine ständige Marktbeobachtung, eine Recherche, kombiniert mit einer Wettbewerbsanalyse.
Wie kann man diesem Dilemma nun begegnen? Was lässt sich daraus schlussfolgern?
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass diese ständige Bereitschaft zur Veränderung von vornherein in der Unternehmenskultur verankern sein muss.
- Einstellungskriterium: So zählt die Fähigkeit der Mitarbeiter zur Veränderung zum wichtigsten Einstellungskriterium.
- Fehlerkultur: Ohne gezielte Fehlerkultur (das bedeutet, kontinuierlich aus Fehlern zu lernen), die auf einem ständigen trial&error Prozess basiert, ist es unmöglich, die Idee, das Produkt zu validieren.
- Kommunikation: Das Management muss kontinuierlich transparent mit allen Stakeholdern, wie Gesellschaftern und Kunden kommunizieren um die Veränderungsprozesse zu verdeutlichen und jeder Verwirrung vorzubeugen.
Die grundsätzliche Erkenntnis dieses Blogbeitrages ist, dass jeder mit so gut wie jeder Idee starten kann, wenn er nur gewillt ist, auf den Markt, den Kunden zu hören und sich und sein Produkt jederzeit an die Bedürfnisse anpassen kann.
Weitere Fehler:
Thinking Time: Lernen, wieder nachzudenken
Warum wir den Konflikt suchen sollten- Put the fish on the table
Auswahl der richtigen Business Angel
Fähigkeit des Lobens